Ego-Art: Ein neuer Ort für Kunst
SCHLESWIG | Auf den ersten Blick deutet nichts auf Kunst hin. Das Haus mit der gelben Backstein-Fassade gehört zum Inventar der oberen Schubystraße; hier residierte lange die Firma Panten und stellte Bodenbeläge her. Seit kurzem bewohnt der aus dem Rheinland stammende Kunstliebhaber Thilo Ehrhardt das Wohnhaus; in der früheren Werkstatt hinter dem Haus hat er seine Galerie „Ego-Art“ eingerichtet. Die Werkstatt hatte acht Jahre leer gestanden und sei in einem miserablen Zustand gewesen. Eine nur sparsam renovierte Wand verleiht dem Raum einen besonderen Charakter.
Die Stadt ist so schön und bietet so viel! Ich möchte hier nicht mehr weg.
Thilo Ehrhardt, Neu-Schleswiger
Seit 1996 hat er nebenberuflich diverse Kunstprojekte in Nordrhein-Westfalen verwirklicht, doch es hat ihn immer in den Norden gezogen. „Wir haben jahrelang nach einem passenden Objekt gesucht“, sagt Ehrhardt – bis sie an der Schubystraße fündig wurden. „Die Stadt ist so schön und bietet so viel!“, schwärmt er. „Ich möchte hier nicht mehr weg.“ Die Galerie will er etablieren. „Sie soll Bestand haben und möglichst eine Bereicherung für die Stadt werden.“
Das ist sie aus Sicht von Susanne Pertiet jetzt schon. Die umtriebige Grafikerin und Kulturförderin lernte Marion Boeckmann und Thilo Ehrhardt vor rund zwei Jahren kennen und freut sich auf bevorstehende Ausstellungen. Bei der morgen ohne Vernissage – Corona! – beginnenden Bilderschau ist sie mit einem Quartett der für sie typischen grafischen Kunst vertreten, das in dieser Zusammenstellung so noch nie in Deutschland gezeigt worden sei. Die dicht an dicht liegenden, unterschiedlich breiten Farbstreifen gestaltet sie durch Abkleben fertiger Flächen, wegen der langen Trocknungszeiten vor dem nächsten Abkleben braucht jedes Bild viel Zeit. Die jeweiligen Titel bedingen eine vertikale oder horizontale Hängung.
Susanne Pertiet hat weiße Figuren an der Schleipromenade entdeckt.
Eine völlig neue Seite zeigt Pertiet bei einer Serie von Fotos mit figürlichen weißen Flecken auf Pflastersteinen. „Es sind eher mit der Kamera dokumentierte Fundstücke“, stapelt sie tief. Bei einem abendlichen Spaziergang an der Schlei bei Vollmond fiel ihr auf, dass die weißen Hinterlassenschaften der Schleswiger Möwen tatsächlich oft an Figuren erinnerten. Also Mobil raus und Bilder machen. Eine Auswahl der Ergebnisse ließ sie auf Aludibond drucken, doch erst die Serie macht diese Bilder besonders und sehenswert. Sie passen jedenfalls perfekt in das Konzept des Galeristen, der zwar auch gegenständliche und expressionistische Kunst zeigen will, aber eben auch den freien Stil.
Marion Boeckmann stammt ebenfalls aus dem Rheinland, hat Kunstpädagogik studiert und lebt heute in Angeln. 2018 hat sie aus ihrer Leidenschaft einen Beruf gemacht. Gern arbeitet sie mit vorgefundenen Materialien, wie mit den beiden Glasisolatoren aus der Elektrotechnik, die sie geringfügig verändert hat. „Ich arbeite gern mit Fundstücken, die irgendwie zusammen kommen“ – gut zu sehen bei dem Auge im Holzscheit. Die Besucher werden von einem grellbunten sitzenden Hasen begrüßt. Ironischer Titel: „Fox camouflaged“, also getarnter Fuchs. Gips, Stein, Draht, Textilfasern, Holz, Glas – kaum ein Material ist vor Boeckmanns Zugriff sicher.